So erschreckend der Text ist, so authentisch ist er offenbar. Er stammt von Ibn Foszlan (auch Ibn Fadlan), der um 920 im Auftrag des Kalifen von Bagdad unter anderem den Süden Russlands bereiste. Das hier beschriebene Begräbnis eines Wikingerhäuptlings deckt sich mit den Berichten über ähnliche Riten in Skandinavien.
Leicht gekürzt.
"Als nun der Tag gekommen war, an dem der Verstorbene und das Mädchen verbrannt werden sollten, ging ich an den Fluss, in dem sein Schiff lag. Aber dies war schon an Land gezogen.
Die Leute fingen indes an umherzugehen und sprachen Worte, die ich nicht verstand. Alsdann kam ein altes Weib, das sie den Todesengel nennen. Ich sah sie, sie war ein Teufel mit finstern, grimmigen Blicke. Der Verstorbene aber hatte sich nicht verändert. Ihn bekleideten sie dann mit Unterbeinkleidern, Oberhosen, Stiefeln und setzten ihm eine goldstoffene Mütze mit Zobel besetzt auf.
Darauf trugen sie ihn in das auf dem Schiffe befindliche Zelt, setzten ihn auf die mit Watte gesteppte Decke, unterstützten ihn mit Kopfkissen, brachten berauschend Getränk, Früchte und Basilienkraut und legten sie vor ihn hin.
Hierauf brachten sie einen Hund, schnitten ihn in zwei Teile und warfen die in das Schiff; legten dann alle seine Waffen ihm zur Seite; führten zwei Pferde herbei, die sie so lange jagten, bis sie von Schweiss troffen, worauf sie sie mit ihren Schwertern zerhieben und das Fleisch derselben ins Schiff warfen.
Das Mädchen, das sich dem Tode geweiht hatte, ging indes umher, und trat in eins der Zelte, die sie dort hatten. Da legte sich der Bewohner desselben zu ihr, wohnte ihr bei und sprach: „Sag deinem Herrn, nur aus Liebe zu dir tat ich dies.“
Als es nun Freitag Nachmittag war, so führte man das Mädchen zu einem Dinge hin, das dem vorspringenden Gesims einer Tür glich. Sie setzte ihre Füsse auf die flachen Hände der Männer, sah auf dieses Gesims hinab und sprach dabei etwas in ihrer Sprache, worauf sie sie herunter liessen. Dann liessen sie sie wieder aufsteigen und sie tat wie das erste Mal. Wieder liess man sie herunter und zum dritten Male aufsteigen, wo sie sich wie die beiden ersten Male benahm.
Ich erkundigte mich beim Dolmetsch nach dem, was sie gesagt hatte. Das erste Mal (war seine Antwort) sagte sie: „Sieh! hier seh‘ ich meinen Vater und meine Mutter;“ Das zweite Mal: „Sieh! jetzt seh‘ ich alle meine verstorbenen Anverwandten sitzen;“ Das dritte Mal aber: „Siehe! dort ist mein Herr, er sitzt im Paradiese. Das Paradies ist so schön, so grün. Bei ihm sind die Männer und Knaben. Er ruft mich; so bringt mich denn zu ihm.“
Da führten sie sie zum Schiffe hin. Sie aber zog ihre beiden Armbänder ab und gab sie dem Weibe, das man den Todesengel nennt und das sie morden wird. Dann hob man sie auf’s Schiff, liess sie aber noch nicht in das Zelt.
Nun kamen Männer herbei mit Schildern und Stäben, und reichten ihr einen Becher berauschenden Getränkes. Sie nahm ihn, sang dazu und leerte ihn. Hiermit, sagte mir der Dolmetsch, nimmt sie von ihren Lieben Abschied. Drauf ward ihr ein anderer Becher gereicht. Sie nahm auch den und stimmte ein langes Lied an.
Da hiess die Alte sie eilen, den Becher zu leeren und in das Zelt, wo ihr Herr lag, zu treten.
Das Mädchen aber war bestürzt und unentschlossen geworden; sie wollte schon ins Zelt gehen, steckte jedoch nur den Kopf zwischen Zelt und Schiff. Stracks nahm die Alte sie beim Kopfe, brachte sie ins Zelt, und trat selbst mit ihr hinein. Sofort begannen die Männer mit den Stäben auf ihre Schilder zu schlagen, auf dass kein Laut ihres Geschreies gehört würde, der andere Mädchen erschrecken und abgeneigt machen könnte, dermal einst auch den Tod mit ihrem Herrn zu verlangen.
Dann traten sechs Männer ins Zelt und wohnten samt und sonders dem Mädchen bei. Drauf streckten sie sie an die Seite ihres Herrn. Und es fassten sie zwei bei den Füssen, zwei bei den Händen. Und die Alte, die da Todesengel heisst, legte ihr einen Strick um den Hals, reichte ihn zwei von den Männern hin, um ihn zu ziehen, trat selbst mit einem grossen breitklingigen Messer hinzu und stiess ihr das zwischen die Rippen hinein, worauf sie es wieder heraus zog. Die beiden Männer aber würgeten sie mit dem Stricke, bis sie tot war.
Nun trat nackend der nächste Anverwandte des Verstorbenen hinzu, nahm ein Stück Holz, zündete das an, ging rückwärtig zum Schiffe, das Holz in der einen Hand, die andere Hand auf seinem Hinterteil haltend, bis das unter das Schiff gelegte Holz angezündet war. Drauf kamen auch die übrigen mit Zündhölzern und anderem Holze herbei; jeder trug ein Stück, das oben schon brannte, und warf es auf jenen Holzhaufen.
Bald ergriff das Feuer denselben, bald hernach das Schiff, dann das Zelt und den Mann und das Mädchen und alles, was im Schiffe war."
C. M. Frähn: Ibn Foszlan's und anderer Araber Berichte über die Russen älterer Zeit, St. Petersburg, 1823